zaterdag 19 januari 2008

3. Familientag der Sippe Metelmann

- Ein Bericht -

Eigentlich hätte dieser 3. Familientag schon im Jahr 1939 stattfinden sollen! Denn als sich unsere Altvorderen im Jahr 1937 -mitten in den Vorbereitungen des 2. Weltkrieges- zum 2. Familientag versammelt hatten, gelobten sie feierlich, sich alle 2 Jahre wiederzutreffen. Nicht auszudenken, wenn sie ihren guten Vorsatz in die Tat umgesetzt hätten: mangels irdischer Präsenz hätte kaum einer von uns teilnehmen können! Heute kennen wir die Ursachen für die lange Verzögerung von fast 70 Jahren genauer, als unsere Altvorderen es sich ausmalen konnten: Statt eines fröhlichen Wiedersehens gab es die braune Diktatur, den 2. Weltkrieg mit dem Untergang vieler Städte in Deutschland und Abermillionen von Toten -darunter, wie die Grabsteine und Totenbücher künden, viele Metelmänner-, Flucht, Vertreibung, Hunger, Obdachlosigkeit, Auswanderung, Neuanfang in zwei deutschen Staatsgebieten, Wiederaufbau und das Zusammenwachsen der europäischen Staaten zu einem Kontinent des relativen Friedens, des Wohlstandes und der Freizügigkeit. Diese verzwickte europäische Geschichte spiegelt sich auch in den Biographien von vielen unserer Väter und Mütter und unseren eigenen wider. Obwohl der Auszug der Metelmänner aus dem Stammland schon im Zuge der sozialen und wirtschaftlichen Umbrüche des 19. Jahrhunderts einsetzte, liegt vor allem in den Katastrophen des 20. Jahrhunderts die wesentliche Ursache für die weite Verstreutheit der Sippe Metelmann: von der Urheimat Mecklenburg in alle deutschen Bundesländer, in die europäischen Nachbarländer und über die Weltmeere bis in die USA und nach Australien. Ob im 19. oder im 20. Jahrhundert, wenn die Weltgeschichte irgendwo zuschlug, wurden wir Metelmänner immer kräftig durcheinander gewirbelt, und das nicht gerade auf der Sonnenseite. Unsere Ahnen waren Handwerker, Tagelöhner, Müllergehilfen, Schäfer, Kleinbauern, Küstenfischer – Väter, Mütter, Kinder mit Tatkraft und einem unbeugsamen Überlebenswillen.
Es verlangt also eine Herkulesarbeit, die zahlreichen Verzweigungen der heutigen und vergangenen Mitglieder der Sippe Metelmann in weit verstreuten geographischen Räumen aufzuspüren, sie bis zum Hauptstamm rückwärts zu verfolgen und sie in konkreten Ursprungsorten zu lokalisieren. Vor 7 Jahrzehnten hatte sich unser verdienstvoller Verwandter Ernst Metelmann aus Stuttgart schon einmal gründlich mit der Familiengeschichte befasst, als ab 1935 die Reichsregierung verfügte, den heiratswilligen Sippenmitgliedern den unsinnigen und menschenverachtenden „Ariernachweis“ zu verschaffen. Seine umfangreiche Forschungsarbeit ging nach seinem Ableben in die Hände von Klaus-Uwe Metelmann über, der noch in Mecklenburg geboren wurde und seit vielen Jahrzehnten in Gent lebt. Klaus-Uwe betreibt mit Unterstützung durch seine liebe Frau Liliane das komplizierte Geschäft der Ahnenforschung mit Hingabe und Akribie -und mit beispiellosem Erfolg. Vielen von uns ist erst durch ihn bewusst geworden, dass wir Teile einer großen Familie sind und viele interessante Verwandte haben, von deren Existenz wir bisher nicht einmal etwas wussten. Ohne unseren „Clanchief“ Klaus-Uwe und seine wackeren Helfer Otto aus Oldenburg/Holst. und Jürgen aus Bempflingen wäre auch dieser 3. Familientag 2007 der Sippe Metelmann im Ursprungsland der Ahnen niemals Wirklichkeit geworden.
So wurden denn im November 2006 alle Metelmänner aufgeboten, sich mit Familienanhang zu Pfingsten 2007 im Hotel „Alter Speicher“ in Wismar zur Musterung zu versammeln. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, dass bereits ein halbes Jahr vor dem Termin nicht nur das Programm und die genauen Unkosten, sondern sogar der Speiseplan feststand. Mit der gewohnten Zielstrebigkeit kämpften sich alle durch das pfingstliche Verkehrsgewühle auf Norddeutschlands Straßen in Richtung „Meckelborg“. Der bevorstehende G8-Gipfel in Heiligendamm tat ein Übriges, um die Geduld der Metelmänner auf die Probe zu stellen. Doch fand sich wohlbehalten am Abend des Freitags, d. 25.05., eine Vorhut ein, um die Lokalitäten in Augenschein zu nehmen. Aus purem Zufall bestand sie aus drei Kläusen –überhaupt der häufigste Vorname der Sippe. Da gab es bei Bier und Wein bereits einen regen Gedankenaustausch über aktuelle und frühere Begebenheiten aus der gemeinsamen Familiengeschichte.
Am Samstag, d. 26.05., ging es dann Schlag auf Schlag. Seit den Vormittagsstunden traf Zug um Zug die Großfamilie ein, auf den Zufahrtsstraßen zum Hotel, in der Einfahrt und auf den Parkdecks gab es einen veritablen Autostau, und auch an der Rezeption hieß es bald „Land unter“, obwohl das Hotelpersonal sein Bestes gab. Doch irgendwie verlief alles ganz friedlich, es gab fröhliche Wiedersehensszenen, gelungene Schnappschüsse und lebhafte Gespräche mit bekannten und unbekannten Verwandten, die einem alle, nicht zuletzt wegen des unbefangenen „Du“, irgendwie ganz vertraut vorkamen und des öfteren in Gestalt, Gesicht und Stimme eine auffallende Ähnlichkeit aufwiesen. Es waren halt alle Metelmänner und -frauen.

Im Lauf des Nachmittages hatte jeder sein Zimmer gefunden, sich erfrischt und ausgeruht und fand sich nun zum munteren Gespräch mit alten und neuen Verwandten ein. Inzwischen verteilte Klaus-Uwe an jeden Teilnehmer Namensschildchen und private Abstammungstafeln und präsentierte im Kleinen Gesellschaftszimmer auf einem riesigen Tisch und an den Wänden akribisch ausgearbeitete Stammbäume, wo wir alle uns in den großen Familienverband eingeordnet wiederfanden und staunend erkannten, mit wem wir verwandt waren. Es war ein gewaltiges Werk, das wir da zu sehen bekamen, die Forschungsarbeit von vielen Jahrzehnten von zweien unserer Blutsverwandten, für die Klaus-Uwe in seinem Haus in Gent eine eigene Etage belegt. Besonders schön war es, dass bei unserem Rundgang natürlich die engsten Vettern, Großvettern und Kusinen beieinander standen, die zu demselben Zweig gehörten. So lernten wir unsere nahen Verwandten kennen, mit denen wir bei ruhigeren Leitläufen vielleicht in demselben Dorf zusammen aufgewachsen wären. Unter Ausrufen des Staunens und vielen Gesprächen nahte der Abend und damit das 3gängige Menu nach „meckelborger Art“ mit Soljanka, Pflaumenbraten und „Rode Grött“. Nachdem die Hotelrezeption mit landestypischem Gleichmut drei Sorten von Getränkekarten in ca. 1.500 Einzelschnipsel mit einer einzigen Schere zerschnitten und verkauft hatte, war auch für den nötigen Flüssigkeitsnachschub gesorgt. So stand einem fröhlichen Abend nichts mehr im Wege, zumal die Küche und die Kellnerinnen vorzügliche Arbeit leisteten. So saßen wir bis spät in die Nacht bei Speis und Trank und vielen Gesprächen beieinander, lobten uns gegenseitig, fragten nach dem Schicksal weiterer Verwandter, die nicht anwesend waren, und genossen es, zu einer so großen Gesellschaft von 160 Metelmännern zu gehören. Und wenn man unbewiesenen Gerüchten glauben darf, sollen nicht wenige Sippenangehörige erst bei dem ersten Hahnenschrei die alten und neuen Freundschaftsbande fürs Erste gelöst haben.

Der folgende Pfingstsonntag, d. 27.05., war der Tag unserer großen Rundfahrt durch das Land unserer Ahnen. Pünktlich um 09.00 Uhr bestiegen wir am alten Hafen zwei Busse und fuhren auf genau vorgeplanter Route durch Nordwestmecklenburg. Wir streiften kurz die Kleinstadt Bad Kleinen am Nordufer des Schweriner Sees, wo sich vor Jahren auf dem kleinen gottverlassenen Bahnhof der letzte RAF-Terrorist selbst gerichtet hatte, und hatten unseren ersten Halt in dem kleinen Ort Metelsdorf (mit den Nachbarorten Alt-Meteln und Neu-Meteln). Dass die Kirche trotz des hohen kirchlichen Feiertages geschlossen war, überraschte nur wenige. Aber immerhin machten die Jüngsten von uns durch spontanes Läuten der frei hängenden Glocken auf die Anwesenheit der Sippe Metelmann aufmerksam, die wahrscheinlich von diesem Dörfchen ihren Namen ableitet. Weiter ging es auf engen Sträßchen und Alleen über Hohen Viecheln und Dorf Mecklenburg zurück nach Wismar, wo MS „Mecklenburg“ auf uns wartete und um 12.00 Uhr ablegte, um uns während eines schmackhaften Imbisses durch die stille Wismarer Bucht nach Kirchdorf auf der Insel Poel zu bringen. Auch diese schöne kleine Ostseeinsel hat viele unserer Verwandten hervorgebracht. An der Hafendüne von Kirchdorf entstand auch unser eindrucksvolles Familienfoto, und es war sehr amüsant zu sehen, wie der ausgeprägte Individualismus der Metelmänner aus diesem Anlass eine halbstündige Turbulenz erzeugte, die unseren wackeren Fotografen wirklich das Letzte an Autorität und Improvisationstalent abverlangte. Aber endlich fügte sich doch alles zu einem akzeptablen Ganzen zusammen, wie die fotografische Ausbeute dieser halben Stunde zeigt. Unser „Prof“ und Ex-Minister Hans-Robert betrachtete derweil, angetan mit Stockschirm, dunklem Anzug und Krawatte, von der höheren Warte des heimatlichen Bodens leicht amüsiert das bunte Treiben der Verwandtschaft und stellte wohl im Stillen seine eigenen Betrachtungen zur Chaos-Theorie an.

Wir verließen am frühen Nachmittag per Bus die Insel Poel über den Verbindungsdamm und fuhren auf schattigen Alleen durch die weite mecklenburgische Moränenlandschaft, auf deren sanften Erhebungen hier und da seit alter Zeit kleine Bauernhäuser und Feldscheunen stehen und die durch Knicks und eingestreute Wäldchen vielfältig aufgelockert wird. Es war für viele von uns ein eigenartiges Gefühl, dass wir jetzt genau durch die sandige Hügellandschaft fuhren, in der unsere Vorfahren mit ihren Familien sich vor Jahrhunderten als Schäfer, Müller und Bauern durchgeschlagen haben. Unser nächstes Ziel war Rerik, das bis zum vorigen Jahrhundert noch Alt-Gaarz hieß und der Siedlungsort des gleichnamigen Stammes der Metelmänner war. Auf einem sanft ansteigenden Moränenrücken liegt, eingefriedet von einer Mauer und alten Bäumen und mit weitem Blick auf die Ostsee, die aus Backsteinen auf Feldsteinsockel erbaute mittelalterliche Kirche mit schönem Inneren im bescheidenen barockisierenden Stil. Wieviele der Alt-Gaarzer Metelmann-Ahnen mochten wohl in dieser Kirche getauft, konfirmiert, getraut und zu guter Letzt ausgesegnet worden sein, wieviele von ihnen wohl auf dem stillen, jetzt eingeebneten Kirchhof dicht unter unseren Füßen ruhen, die wir geschäftig umhergingen, um unsere Fotos zu machen?
Zur Abrundung unserer Rundreise wartete noch die eindrucksvolle und wohlerhaltene Holländermühle von Stove mit vollständigem Windrad, Göpel und Mahlwerk auf uns, mit der noch heute auf umweltfreundliche Weise Korn gemahlen werden könnte, wenn es nur Menschen gäbe, die noch das alte Müllerhandwerk beherrschten. Am nahe gelegenen Mühlenhof saßen wir bei reichlich Kaffee, Tee und selbstgebackenem Streuselkuchen in fröhlichem Gespräch beieinander und konnten nebenbei beobachten, wie in einem Backhaus unter kräftiger Rauchentwicklung ganz, wie bei Wilhelm Busch’s Max und Moritz oder im Märchen von Hänsel und Gretel beschrieben, schmackhaftes Brot gebacken wurde. Über Alt-Bukow und Neubukow fuhren wir nach Wismar zurück, wo wir bei reichlich Speis und Trank bis spät in die Nachtstunden unseren Austausch mit alten und neuen Verwandten fortsetzten.
Pfingstmontag, d. 28.05., war unser Abschiedstag von Wismar. Um 09.30 starteten wir in drei Gruppen zu einem geführten Stadtrundgang durch die Innenstadt von Wismar. Dabei gingen wir nicht nur durch das mittelalterliche Stadtbild, das wegen seiner originalen Erhaltung komplett als Weltkulturerbe der Menschheit anerkannt ist, sondern wir erfuhren auch Erstaunliches. Wismar war einst zur Zeit der Hanse neben Lübeck eine der reichsten Städte Mitteleuropas mit ca. 4.500 Häusern und eine der bedeutendsten Handelsstädte des Nord- und Ostseeraumes mit einer perfekt funktionierenden Süßwasserversorgung auf dem Markt und in vielen Bürgerhäusern. Wenige Tage vor dem Ende des 2. Weltkrieges erlebte Wismar den letzten Bombenangriff, der auf eine Stadt des Reichsgebietes geflogen wurde, und wie die bis heute sichtbaren Spuren zeigen, wurde gründliche Arbeit geleistet. Weil die Stadt von britischen und kanadischen Einheiten eingenommen wurde, blieben den restlichen Einwohnern und Einwohnerinnen die Greueltaten der Roten Armee erspart. Aber nachdem im August 1945 auch Wismar unter Sowjetische Verwaltung gestellt wurde und bis 1989 zum Staatsgebiet der DDR gehörte, blieben der Aufschwung und die Beseitigung der Kriegsschäden trotz der Zunahme des Schiffsbaus und der Hochseefischerei eng begrenzt. Gerade dadurch aber blieb die Stadt Wismar von der nächsten großen Zerstörungswelle verschont, von der viele Städte im Westen heimgesucht wurden: der Zerstörung alter, in Jahrhunderten gewachsener Stadtviertel durch Grundstücksspekulation und Korruption. Im Jahr 1960 allerdings ordnete die kommunistische Regierung die Sprengung der Ruine des Marien-Kirchenschiffs an, verschonte aber den gewaltigen Kirchturm, weil er seit Jahrzehnten in allen Seekarten als wichtige Landmarke zur Ansteuerung des Hafens eingezeichnet ist. Die beiden anderen großen Kirchen Wismars, St. Nicolai und St. Georgen, und die kleinere, aber erlesene Heiligengeist-Kirche geben mit ihrer Großzügigkeit und Weiträumigkeit dem Betrachter bis heute einen lebendigen Eindruck von dem noblen Hanseatengeist, der diese eindrucksvollen Backsteinkirchen einst erstehen ließ. Wegen der jahrzehntelangen Vernachlässigung stellen die großen Kirchen und andere Kleinodien der alten Hansestadt wie das Schabellhaus eine dauernde und kostenträchtige Herausforderung dar, die auch in Jahren noch nicht abgeschlossen sein wird. Doch Wismar ist mit seiner Umgebung, wie wir in diesen Tagen gesehen haben, auf einem guten Weg. Wir alle wünschen der Heimat unserer Ahnen, dass es weiter bergauf geht. Alles hängt letztlich auch von uns selbst ab. Jetzt aber war für uns die Stunde des Abschieds gekommen, und unter Umarmungen und guten Wünschen machten wir uns wieder auf den Heimweg.
Danke jedenfalls an Klaus-Uwe und seine Frau Liliane, danke an Otto, an Jürgen und alle die vielen Helferinnen und Helfer, die das 3. Familientreffen der Sippe Metelmann zu einem solchen Erfolg und zu einer solch lieben Erinnerung werden ließen.
Wer weiß, wann wir uns wiedersehn in Wismar an der See? Vielleicht in fünf Jahren. Wer weiß es?



Klaus METELMANN
(Stamm Alt-Gaarz)
Bad Lippspringe, 21.06.2007

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